Jahrestagung in der Schweiz bringt Wörter zum Leuchten

Aktuelles on 31 Sep , 2015
Leuchtende Wörter. Ergebnisse der Tagung und der Workshops.

Leuchtende Wörter. Ergebnisse der Tagung und der Workshops.

Wärmende Herbstsonne und ein gut vorbereitetes Organisationsteam begrüßten die rund 90 Teilnehmenden — Professorinnen und Professoren, Religionslehrerinnen und Religionslehrer sowie in der Pastoral Tätige aus fünf verschiedenen Nationen — zur Internationalen Religionspädagogischen Tagung in der Schweiz. Sie fand vom 24. bis 27. September im Zentrum Ländli in Oberägeri, Kanton Zug, statt.

Wie kann Literatur in all ihrer Mannigfaltgkeit der Formen das Sprechen von Gott inspirieren? Was können  Religionspädagoginnen und Religionspädagogen von ihr lernen, vor allem dann, wenn sie aus der theologischen Phrasenhafigkeit und Innersprachlichkeit ausbrechen wollen? Diese Fragen zogen sich als roter Faden durch die Vorträge und Workshops der Veranstaltung. Für die inhaltliche Auseinandersetzung war es der Vorbereitungsgruppe von dkv und SKV gelungen, kompetente Fachexperten mit unterschiedlichen Bezügen zum Thema zu engagieren.

Den ersten Impuls zur Auseinandersetzung setzte Prof. Dr. Georg Langenhorst, Augsburg, mit seinem Referat Verstehst du auch, was du liest? Langenhorst forderte heraus, sich mit dem Reiz des Lesens zu befassen. So könne Literatur sensibel für die Grenzen und Möglichkeiten von Sprache machen, Zugang zu anderen Formen von Wirklichkeit erschließen oder auch Möglichkeiten anderen Lebens zur Sprache bringen. Zur Verdeutlichung flocht er Textbeispiele unterschiedlicher Autorinnen und Autoren ein.

Mit „Ich gönne mir das Wort Gott“, einem entlehnten Zitat von A. Maier, kam der Referent zu einem späteren Zeitpunkt, im Hauptreferat des Samstags, nochmals ins „Worte‐Lesen‐Deute­‐Spiel“. Dabei ging es um theologisch-­literarische Erkundungen als Anregungen für die religionspädagogische Praxis. Die Zuhörenden und Mitdenkenden waren gefordert, dargebotene Theorie mit eigenen Erfahrungserkenntnissen und möglicher Praxis zu verbinden. Anregungen gab es zu Hauf, Widersprüchliches und Zustimmendes bewegten und regten an, weiter zu denken, zu diskutieren, sich auszutauschen.

Dr. Martina Läubli bei ihrem Vortrag

Dr. Martina Läubli bei ihrem Vortrag

Literaturwissenschafliche Perspektiven wurden von Dr. Monika Läubli, Zürich, am Freitagvormittag aufgetan. Sie bot verständliche Grundlagen für die Erzählanalyse an. In Gruppenarbeiten gingen die Teilnehmenden anhand ausgewählter zeitgenössischer Texte den Fragen nach: Wer schreibt? Wer spricht? Was macht das mit mir? Ausblickend verwies Läubli auf gegenwärtige literarische Tendenzen, die unter Bezeichnungen wie ‚spoken words‘, ‚graphic novel‘ und ‚Deutsche Literatur aus anderswo‘ eingeordnet werden können.

Willkommene Vielfalt boten jene Arbeitsphasen, in denen mit Leib und Schreibstil Eigenes zum Ausdruck gebracht sowie vertiefend und erweiternd weitergearbeitet werden konnte: die Workshops. Dr. Christoph Gellner, Zürich, stellte in seinen Ateliers das Aufbrechen abschließender Vokabulare ins Zentrum seiner Ausführungen. Dabei bediente er sich der Texte von Gegenwartsautor/innen als mögliche Sprachlehrer für Religiöses. Auch hier leiteten Fragen: Was/wer steckt genau hinter dem und im Text? Was lesen wir hinein und nehmen wir heraus? Was schliessen wir ab, was brechen wir auf? Was bricht in uns auf?

Klaus Nelißen, Journalist, Pastoralreferent und stellvertretender Rundfunkbeauftragter der Diözesen Nordrhein‐Westfalens beim WDR warf Mit Gott unter der Dusche – Kirche im Radio einen Blick auf die Radioverkündigung. Diese erreiche Menschen unmittelbar in ihrem Alltag und scheint so manch Widersprüchliches zu verbinden. Konkret: Duschen und gleichzeitig einen Radiogottesdienst mithören. Geht das? Nächstenliebe und ein schmutziges Hinterlassen stiller Örtchen. Was hat das miteinander zu tun? Lässt sich das verknüpfen, und wie? Als Kriterien für gutes Radioschaffen, nicht nur für Jugendliche, gelten solides Handwerk (Schreiben fürs Hören) und zielgruppenorientiertes Schreiben.

Unerhörte Zeitansagen – die Gegenwartsliteratur als unorthodoxer Impuls für Homilie. Mit diesem etwas schwierigen Titel wurde angekündigt, dass die beiden Workshopleiter und Priester Michael Ostholthoff SJ, Münster, und Jürgen Quante, Recklinghausen, Literatur als eher ungewöhnliche, aber auch willkommene Form für Verkündigung und Predigt verstehen.

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Arbeiten mit Sprache: Die Workshops und Gruppenarbeiten machten sichtlich Freude

Literatur meint im weiteren Sinn sprachliche Überlieferung. Sie macht sich an littere (Buchstaben) fest. Professorin Dr. Bergit Peters, Paderborn, ermutigte in ihrer Lyrik-­Werkstatt Lass leuchten zu einem ganz persönlichen literarischen Ausdruck, nicht schwierig, nicht hochgeistig, nicht kunstvoll überhöht, vielmehr original. Eine berührende Erfahrung für die Teilnehmenden war, für sich und vor anderen leuchten zu lassen, was aus eigener Wörter-­Quelle sprudelte.

Stephan Sigg, Theologe und Autor aus St. Gallen, ist am Puls der religionspädagogischen und medialen Arbeit mit Jugendlichen. In seinem Workshop Spirituelle Texte schreiben mit Jugendlichen – ganz kreativ gelang es ihm auf lustvolle Art, vielfältige und gut umsetzbare Formen und Methoden für die Textarbeit mit Jugendlichen an die Frau und den Mann zu bringen.

„Weil die Zunge formt, was das Herz bewegt“ war im Workshop Bibel in eigener Mund-­Art mit Katja Wißmiller aus Zürich Mundart angesagt. Die Theologin und Wort-­zum‐Sonntag‐Sprecherin bat für die Vorstellungsrunde, den selbst gegangenen Hinweg zur Tagung in der persönlichenHerzenssprache zu beschreiben. Daran anknüpfend galt es, immer noch in Mundart, einen einzigen Vers aus dem Schöpfungstext weiter zu erzählen. Das forderte die Workshopteilnehmer zunächst sehr heraus. Erzählen und Lesen biblischer Geschichten in Standardsprache war über lange Zeit gebräuchlich. Überraschend offenbarte sich dann aber, wie anders, lebendiger, Botschaften ankommen, wenn sie, in Mundart gesprochen, hörbar werden.

Das abschliessende Fachreferat am Sonntagvormittag hielt Prof. Dr. Hans-­Joachim Höhn aus Köln. Mit Die Kunst der Bestreitung. Logik – Poetik – Theologie einer Gott los gewordenen Zeit forderte er die Zuhörenden heraus, quer zu denken.

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dkv-Vorstandsmitglied Franziska Mellentin (rechts) und Prof. Dorothea Rechenmacher trafen sich als das literarische Paar Kain und Abel

Neben der intensiven fachlichen Auseinandersetzung blieb den Teilnehmerinnen und Teilnehmern stets ausreichend Zeit für den persönlichen und fachlichen Austausch, für liturgisches und weltliches Feiern und gemütliches Beisammensein. Bereits beim Begrüssungs‐Apéro am ersten Abend, als sich Abraham und Sara, Asterix und Obelix, Gretchen und Faust sowie viele weitere literarische Paare zum fröhlichen Gesprächsaustausch einfanden, wurden neue Kontakte geknüpft und bisherige weitergepflegt.

Mit den Stadtführungen am Donnerstagnachmittag in Zug und mit dem Besuch der beeindruckenden unterirdischen Höllgrotten von Baar führte der SKV­‐Vorstand die Tagungsteilnehmerinnen und ‐teilnehmerzu lokalen Besonderheiten. Wörter und innere Bilder leuchteten auf, als Geschichtenerzählerin Béatrice Fessler‐Roth in der Märli‐Grotte Sagen erzählte. Vor und nach der Grottendurchwanderung kamen die Gäste in den Genuss von selbstgebackenen Grotten‐Lebkuchen, Zuger Kirschwasser und verschiedenen kalten und warmen Getränken.

Bischof Felix Gmür feierte den Tagungs-Gottesdienst

Bischof Felix Gmür feierte den Tagungs-Gottesdienst

Diese und die Grottenführungen waren ein Geschenk verschiedener Frauen und Männer aus den Kirchgemeinden der Umgebung. Am Freitag, Samstag und Sonntag bildeten die stimmungsvollen Morgenandachten, angeleitet von SKV-­ und dkv‐Mitgliedern, einen je eigenen spirituellen Auftakt in den Tag. Zur Eucharistiefeier am Samstagabend war Diözesanbischof Felix Gmür aus Solothurn angereist. Unter der Anleitung von Diakon und SKV-­Vorstandsmitglied Franz Ambühl und dkv‐Geschäftsführer und Katechesereferent Dr. Tobias Weismantel bereiteten ein ad-­hoc-Chor aus Teilnehmenden und die SKV-Vorstandsmitglieder die Liturgie vor und gestalteten sie mit. Schrift-, Lied-­, und Gebetstexte fügten sich zu einem stimmigen Ganzen. In aktuellem gesellschaftlichem Zusammenhang standen die Predigtworte von Bischof Felix, mit welchen er an die (auch christlich gebotene) Mitmenschlichkeit in Flüchtlings-­ und Asylfragen appellierte.

Den aufmerksamen, dienstbereiten Mitgliedern der organisierenden dkv­‐ und SKV‐ Vorstände, der dkv‐Geschäftsstelle, der SKV-­Sekretärin und Allrounderin Bea Gerber und den Ländli­‐Angestellten war es zuzuschreiben, dass der Aufenthalt und Tagungsverlauf von den Teilnehmenden sehr positiv beurteilt wurde: Sich in Ferienatmosphäre weiterbilden und mit Berufskolleginnen und -kollegen austauschen zu können, sei ein Geschenk.

Grosse Zufriedenheit leuchtete auch aus den abschliessenden Worten von Marion Schöber (dkv), Markus Felderer (Südtirol) und Barbara Filser‐Schiffmann (SKV). Wie die Begrüssungsworte zum Tagungsbeginn erklangen sie in Hoch-­, Südtiroler‐ und Schweizer-­Deutscher Mund‐Art.

Die nächste religionspädagogische Jahrestagung findet vom 06‐09. Oktober 2016 in Leipzig statt und wird sich mit dem politischen Potenzial religiöser Bildung beschäftigen. Einladung und nähere Informationen finden sich ab März auf der Homepage des dkv.

Ein Beitrag von skv-Vorstandsmitglied Claudia Rüegsegger-Reck